FLAX
Als im Herbst 2015 in Bad Radkersburg flüchtende Menschen die Sperre auf der Brücke ignorierten und nach Österreich strömten, war ich unmittelbar vor Ort, bin Frauen, Kindern und Männern in Not begegnet. Im Stadtgraben der Stadt Bad Radkersburg wurden sie in einem abgegrenzten Areal aufgehalten. Dokumente wurden aufgenommen, sie mussten dort auf die Weiterfahrt warten. Die lebensnotwendige Versorgung konnte von vielen hilfsbereiten Menschen und staatlicher Hilfe bewältigt werden.
Für Nahrung wurde gesorgt und Kleidung war in Übermaß vorhanden, Abgetragenes, Ausgemustertes oft Schäbiges vergangener Modetrends unserer westlichen Welt waren eine Erste Hilfe. Mag sein, das eine der Frauen Jeans, die sie selbst in einer Textilfabrik in der Türkei genäht, nun als großzügige Gabe erhalten hatte.
Ich fragte mich nach dem danach, versetzte mich in die Rolle einer Frau in dieser Situation und spürte, wie sehr ich mich nach einer so massiven örtlichen und kulturellen Veränderung nach einem adäquaten Äußerem sehnen würde. Ein Äußeres, das meiner Identität Kraft verliehe, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Als Künstlerin nehme ich jede Situation auch als ästhetische Erfahrung wahr. Die Menschenschlangen, die Baugitter, die Rettungswägen mit den Hilfskräften, die spielenden, weinenden, schlafenden Kinder, Mütter, Väter, in sich Gekehrte, Alte und Gebrechliche, daneben überfüllte Regale mit Kleidung und Schuhen.
Mein Interesse an Mode, Kleidung und Identität sind es, die mich als Künstlerin bis heute beschäftigen, das Interesse wie sehr das ästhetische Erscheinungsbild mit der inneren Befindlichkeit einhergeht.
Das war der Grundstein für dieses Kunstprojekt. Frauen wurden ermächtigt, Nadel und Schere selbst in die Hand zu nehmen und Kleidung den eigenen Bedürfnissen anzupassen, für sich selbst und die Nahestehenden.
Viele Frauen unterschiedlichster Herkunftsländer haben sich am Projekt beteiligt, Freundschaften wurden über die Arbeit hinaus geknüpft und das Projekt selbst hat sich gewandelt. Nach Kleidung, Pölstern, Taschen und Objekten haben wir uns nun auf den Stoff reduziert, auf Nadel und Faden, Leinen und Metall. Tragbar, und
FLAX hat sich somit neu definiert.
Leinen, das Material das im Orient seinen Ursprung hat und gleichzeitig das Interface zur Malerei darstellt, ist hier Subjekt, Objekt und Definition in einem. Wir arbeiten nun an Globen aus FLAX, genäht mit Fäden aus dem gleichen Material, die beteiligten Frauen schreiben ihre „Welt“ in FLax mit Flax.
Das Material selbst ist der Link zur Kunst, es wird hier zum Ort der Auseinandersetzung mit dem Globus als bildhafte Darstellung unseres Planeten und Erfahrungen der eigenen Identität.
Ich freue mich auf spannende ästhetische Überraschungen.